Credit: National Cancer Institute
Lutherstadt Wittenberg, 14. Juli 2025

BGH-Urteil zugunsten von DocMorris: Wettbewerbsnachteile für deutsche Apotheken

Internationale Versandapotheken wie DocMorris und Shop Apotheke werben mit Bonusprämien für eingelöste Rezepte und großzügigen Rabattaktionen. Für stationäre Apotheken sowie Versandapotheken mit Sitz in Deutschland ist diese Praxis verboten. Eine Klage des Bayrischen Apothekerverbands, der in den Rezeptboni von Doc Morris einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht und die Arzneimittelpreisbindung sah, wies der Bundesgerichtshof (BGH) erst kürzlich zurück. Ein Boni-Verbot für internationale Unternehmen sei dem BGH zufolge nur dann gerechtfertigt, wenn die flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln dadurch gefährdet würde.

Schon bald wird es das nächste BGH-Urteil zu dem Thema geben: Die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) ist in der Vergangenheit erfolgreich gegen Werbeaktionen von DocMorris vorgegangen – nun fordert der Versender einen Schadenersatz in Höhe von 18,5 Millionen Euro. Die AKNR hält trotz des letzten BGH-Urteils und der möglichen Strafe die Boni für gesetzeswidrig und schickte dem niederländischen Unternehmen erst letzte Woche eine neue Abmahnung.

Martin Schulze, Apotheker und Leiter der pharmazeutischen Kundenberatung bei der deutschen Versandapotheke mycare.de, sieht das BGH-Urteil problematisch:
„Das Urteil des BGH ist für deutsche Apotheken ein Rückschlag. Indem internationale Versandapotheken ihren Kunden Boni oder Rabatte auf verschreibungspflichtige Medikamente geben dürfen, sind sie gegenüber stationären Apotheken sowie Versandapotheken mit Sitz in Deutschland klar im Vorteil. Deutsche Apotheken unterliegen dem Heilmittelwerbegesetz (HWG), welches Rabatte für verschreibungspflichtige Medikamente verbietet. Ausländische Versandapotheken berufen sich stattdessen auf die EU-Dienstleistungsfreiheit. Grundlage dafür ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2016 (Az. 148/15, das sogenannte “DocMorris-Urteil”), das es EU-ausländischen Anbietern erlaubt, rezeptpflichtige Medikamente nach Deutschland zu liefern, ohne an nationale Preisbindungen oder Werbebeschränkungen gebunden zu sein.

Dieses Prinzip hatte der BGH mit seinem aktuellen Urteil vom 17. Juli 2025 bestätigt: Demnach gilt die deutsche Arzneimittelpreisbindung nicht für EU-Versandapotheken, die nach Deutschland liefern. Was hierzulande verboten ist, bleibt internationalen Firmen also weiterhin erlaubt. Gleichzeitig haben weder BGH noch der EuGH bislang abschließend geklärt, wie die Arzneimittelpreisverordnung im Rahmenvertrag nach deutschem Sozialgesetzbuch tatsächlich durchgesetzt werden kann. Dieser verpflichtet EU-Versandapotheken, bei der Abrechnung gesetzlicher Kassenrezepte die deutschen Preisvorgaben einzuhalten. Damit wären Rabatte, Boni oder Zuzahlungserlässe eigentlich unzulässig.”

Urteile gegen die internationalen Versandapotheken
„Es gibt auch immer wieder Urteile, die gegen die Praxis der internationalen Unternehmen sprechen: Beispielsweise hatte der EuGH am 27. Februar dieses Jahres entschieden, dass Gutscheine, die nach der Einlösung eines Rezepts für weitere Käufe gewährt werden, sehr wohl unter das Heilmittelwerbegesetz fallen. So können sie verboten werden, wenn sie den Verbrauch nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel fördern. Das Landgericht Freiburg hat sich dieser Auslegung angeschlossen und DocMorris per einstweiliger Verfügung untersagt, mit einem 25-Euro-Rabatt für die Einlösung eines E-Rezepts zu werben (Az.: 12 O 9/25 KfH). Auch wenn der Rabatt unmittelbar im selben Bestellvorgang eingelöst werde, handele es sich rechtlich um einen „nachfolgenden Erwerb“und damit um eine unzulässige Werbegabe.”

Eine rechtliche Grauzone mit System
„Selbst bei klaren Rechtsverstößen ist die Durchsetzung kompliziert: Für internationale Anbieter sind in erster Linie die Aufsichtsbehörden im jeweiligen Herkunftsland zuständig. Verfahren gegen sie müssen meist dort geführt werden – ein aufwendiger, langwieriger und kostspieliger Prozess mit ungewissem Ausgang. Entsprechend selten werden Verstöße überhaupt geahndet. Gleichzeitig greifen auch Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen kaum ein, selbst dann nicht, wenn ausländische Anbieter gegen deutsche Preisvorgaben verstoßen. Diese Lücke nutzen die internationalen Versandapotheken gezielt aus: Nur wenige Stunden nach dem BGH-Urteil verkündete DocMorris einen Rezept-Bonus. Diese Rabattpraxis unterläuft nicht nur die Preisbindung, sondern auch das Solidarprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Realität zeigt: Was in Deutschland aus guten Gründen verboten ist, wird von internationalen Wettbewerbern systematisch ausgereizt und bislang kaum sanktioniert. 

Außerdem profitieren internationale Versandapotheken von einer starken Lobbypräsenz auf EU-Ebene. Sie positionieren sich als digitale Vorreiter im Gesundheitswesen und genießen dadurch politischen Rückhalt, der nationalen Anbietern verwehrt bleibt. Hinzu kommt: Gerichte tendieren bei grenzüberschreitenden Sachverhalten zunehmend zu verbraucherfreundlichen Urteilen. Gutscheinmodelle und Rabattsysteme, die deutschen Apotheken aus gutem Grund untersagt sind, erhalten so indirekt juristische Legitimität.

Aus unserer Sicht ist es daher längst überfällig, auf diese strukturellen Missstände aufmerksam zu machen und für alle Marktteilnehmer endlich klare, einheitliche und durchsetzbare Regeln zu schaffen. Nur wenn alle Beteiligten denselben Rahmenbedingungen unterliegen, kann das Vertrauen der Patientinnen und Patienten in eine sichere, gerechte und verlässliche Arzneimittelversorgung langfristig gewährleistet werden.”

Über Martin Schulze
Martin Schulze ist Apotheker und leitet seit 2014 die pharmazeutische Kundenbetreuung bei mycare.de. Bereits 2010 stieg er während seines praktischen Jahres ein und ist dem Unternehmen seitdem treu geblieben. Zunächst war er als Leiter der Qualitätskontrolle in der hauseigenen Verblisterung tätig, bevor er die Leitung der pharmazeutischen Abteilung übernahm. Zusätzlich verantwortet er heute Aufgaben als Großhandelsbeauftragter und als Beauftragter für Medizinproduktesicherhe

Über mycare.de

mycare (www.mycare.de) Als eine der ersten Versandapotheken Deutschlands hat mycare.de den deutschen Markt seit 2001 nachhaltig verändert. Neben einem umfangreichen Onlineshop mit über 90.000 Arzneimitteln und Gesundheitsprodukten bietet mycare.de vielfältige Dienstleistungen zur persönlichen Gesundheitsversorgung an. In einem modernen Apothekenlabor stellt mycare.de individuelle Arzneimittel nach höchster pharmazeutischer Qualität her, darunter Hormontherapien, homöopathischer Mittel, Hautcremes und medizinisches Cannabis. Jede Arzneimittelbestellung wird individuell von Fachpersonal nach höchster pharmazeutischer Qualität angefertigt und geprüft. Zu den weiteren Dienstleistungen von mycare.de gehören der Arzneimittel- und Hausapotheken-Check sowie der Tabletten-Service MEDPAC. Als regionaler Großversorger beliefert mycare.de medizinische Einrichtungen in ganz Deutschland mit Arzneimitteln, Hilfsmitteln und Verbandstoffen und sorgt zudem für die umfassende Versorgung von Patient:innen im Heimbereich. Eine persönliche Beratung erfolgt sowohl telefonisch und per E-Mail als auch an drei Apothekenstandorten in Lutherstadt Wittenberg.

 
Pia Senkel
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